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Reichstagsbrand 1933 Gerichtsmediziner untersuchen Leiche von Marinus van der Lubbe

Nachdem der Berliner Reichstag in Flammen aufgegangen war, wurde der Niederländer Marinus van der Lubbe als Brandstifter verurteilt und enthauptet. Nun sollen Untersuchungen klären, ob er unter Drogen gesetzt wurde.

Leipziger Gerichtsmediziner untersuchen die sterblichen Überreste des Reichstagsbrandstifters Marinus van der Lubbe. »Ende Januar wurde auf dem Leipziger Südfriedhof eine Leiche exhumiert«, bestätigte Oberarzt Carsten Babian auf Anfrage des SPIEGEL. Ein Halswirbel der Leiche sei durchtrennt – das passe zu van der Lubbe, der Ende 1933 in Leipzig zum Tode verurteilt, dort am 10. Januar 1934 per Fallbeil enthauptet und dann in einem anonymen Grab verscharrt worden war. Über die Exhumierung berichtete zuerst die »Zeit« und schildert in ihrer am Donnerstag erscheinenden Ausgabe die Ereignisse beim Reichstagsbrand sowie historisch ungeklärte Fragen.

In den kommenden Wochen werde man die Überreste auf Rückstände von Drogen untersuchen, sagt Babian. Während des dreimonatigen Prozesses gegen van der Lubbe hatten Beobachter festgehalten, dass der Angeklagte apathisch wirke. Zeitgenössische Zeitungsartikel nannten als möglichen Wirkstoff Scopolamin, das man damals als »Wahrheitsserum« verwendete. Van der Lubbe gestand vor Gericht die Brandstiftung.

Initiator der Exhumierung ist die Paul-Benndorf-Gesellschaft, die sich um die Erhaltung und Pflege historischer Friedhofsanlagen kümmert. »Wir wollten herausfinden, wo genau van der Lubbe begraben ist, damit wir ein Denkmal an den richtigen Ort stellen können«, erklärt Vorstand Alfred E. Otto Paul. Er selbst habe die Leiche exhumiert.

Die Kosten für das toxikologische Gutachten übernimmt das Universitätsklinikum Leipzig. »Wir machen das pro bono, weil wir den Fall spannend finden«, sagt Oberarzt Babian. Ergebnisse erwarte er in wenigen Wochen.

Legalisierung des Terrors

Der Reichstagsbrand am Abend des 27. Februar 1933 war ein einschneidendes Ereignis in der deutschen Geschichte. Adolf Hitler war wenige Wochen zuvor zum Reichskanzler ernannt worden. Nun verbreitete die NS-Propaganda, dass eine angebliche Gruppe kommunistischer Verschwörer den Plenarsaal angezündet habe.

Sofort am Tag nach dem Brand trat die berüchtigte »Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat« in Kraft. Fortan konnte jeder ohne Anklage verhaftet, konnten Wohnungen durchsucht und Zeitungen zensiert werden. SA und SS sperrten Zehntausende politische Gegner in provisorische Konzentrationslager , misshandelten viele, ermordeten einige. Dieser Staatsterror trug entscheidend dazu bei, dass Hitler und die NSDAP ihre Macht dauerhaft sichern konnten.

Daher verwundert es nicht, dass sich um den Reichstagsbrand verschiedene Theorien ranken. Vor allem eine wird seit Jahrzehnten immer wieder vorgebracht: Der niederländische Anarchokommunist Marinus van der Lubbe sei kein Einzeltäter gewesen, die Nationalsozialisten hätten den Brand wenige Tage vor der Reichstagswahl am 5. März 1933 selbst gelegt. Überzeugende Beweise gibt es dafür aber nicht. Viele renommierte Forscher weisen diese These zurück.

Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version des Artikels enthielt ein Foto, das aus einem Spielfilm über den Reichstagsbrand stammt. Wir haben es mit einem authentischen Foto des ausgebrannten Gebäudes ersetzt.

mpz